Sommerschmidt vs Hammacher - Familiengeschichten Hammacher Herwig Reinsch

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Sommerschmidt vs Hammacher

Bibliographie:
Essener Offizialatsakten als personengeschichtliche Quelle
bearbeitet von Reimund Haas, Köln 1989, Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e. V., Neue Folge, Nr. 47, S. 181 (Eheprozesse):
„Eheverlöbnis- und Beschwängerungsklage“
Anna Margaretha Sommerschmid (Holsterhausen) – Jan Hendrich Hamecher (Altendorf)
Originalakte gefunden im:
Historischen Archiv des Erzbistums Köln, Bestand: Assindia Nr. 201, Blatt/Seiten: 1-96, 1765-1770

Kopien der Originalakte liegen mir vor, ebenso die fast vollständige Transkription, die dankenswerterweise Herr Henning Schmitt, Essen, geleistet hat.
Diese Transkription habe ich bearbeitet, indem ich versucht habe, den eigentlichen Inhalt in heutiger Sprache (mit einigen bewussten Ausnahmen) und heutigem Satzbau auszudrücken;dabei fielen zahlreiche mehr juristische Formulierungen weg.
Vollständiges Namensverzeichnis am Schluss!!!
AMS = Anna Margaretha Sommerschmidt
JHH = Jan Henrich Hamecher

Zusammenfassung
AMS, 23 Jahre alt, klagt im Januar 1765 gegen JHH, weil er ihr die Ehe versprochen und sie geschwängert habe, sie jetzt aber nicht heiraten wolle. Vor Gericht bezweifelt JHH, dass er der Vater des Kindes sei, stimmt aber der Heirat zu, wenn sie seine Vaterschaft beeide.
Das tut sie, weigert sich dann aber aus verschiedenen Gründen, ihn zu heiraten. Das Kind wird im März 1765 geboren. Das Gericht verpflichtet sie unter Strafandrohung zur Heirat. Wegen der Gerichtskosten werden ihre Kleidung und ihr Erbteil beschlagnahmt.
Dezember 1765 kommt AMS mit dem Kind bei Wasser und Brot für 10 Tage in Arrest! 1770 geht es noch um die Verfahrenskosten.
1767 wird ein zweites Kind geboren, 1769 heiraten die beiden!
1765-01-23 (Original S. 93/91)
AMS hat Klage eingereicht, dass JHH aus Altendorf ihr die Ehe versprochen und sie geschwängert habe, sich aber jetzt weigere, sie zu heiraten. Darum hat die Klägerin beantragt, ihn zu einer persönlichen Gegenüberstellung erscheinen zu lassen und, weil er angekündigt habe, sich wegzubegeben, sein Eigentum (Kleidung, Früchte, Gelder) zu beschlagnahmen, das bei Barckhoff, Rüsel und Rullich in Altendorf vorhanden sei.
Darum wird hiermit der Beklagte JHH unter Androhung von 2 Goldgulden Strafe aufgefordert, am 26. um 10 Uhr persönlich vor diesem Offizialatsgericht zu erscheinen und sich zur Klage vernehmen zu lassen.
Der Antrag auf Beschlagnahme des Eigentums des Beklagten wird anerkannt, und Barckhoff, Rüsel und Rullich zu Altendorf wird unter Androhung doppelter Strafe befohlen, dem Beklagten das Eigentum nicht herauszugeben.
1765-01-24 (Original S. 92)
Ich habe Kopien dieses Bescheides dem Rüsel, Rullich, Barckhoff (?meister) auf der Rötgers Bank und dem JHH zugestellt und seine Kleidung, Gelder, Früchte und Kohlen beschlagnahmt. Gez. Vom Orde
1765-01-26 (Original S. 87)
Die Klägerin zeigt an und fordert, den Beklagten darüber zu befragen, dass
1.    der Beklagte über eineinhalb Jahre um sie geworben,
2.    er versprochen habe, sie zu heiraten,
3.    sie vor und nach dem Eheversprechen „fleischlich erkannt habe,
4.    er sie schließlich geschwängert habe,
5.    er ihr die Ehe versprochen habe mit den Worten, dass er sie nicht verlassen werde, solange er lebe.
JHH antwortet
zu 1: bestätigt, und zwar fast zwei Jahre
zu 2: bestätigt
zu 3: verneint
zu 4: keine Stellungnahme
zu 5: ?
Hierauf antworten die Gegenübergestellten:
zu 1: beide bestätigen …
zu 2: beide bestätigen
zu 3: sie bestätigt, er verneint
zu 4: sie bestätigt, er verneint
zu 5: wie zu 2 (?)
Für die Richtigkeit des Protokolls: gez. Wölting
1765-01-26 (Original S. 79)
Zur Rechtssache AMS zu Holsterhausen gegen JHH zu Altendorf:
Er gibt zu Protokoll, dass er sich mit der Klägerin fleischlich vermischt und ihr die Ehe versprochen habe, und bietet an, sie in den nächsten Tagen zu heiraten.
1765-02-16 (Original S. 79/80)
JHH zeigt an, dass er nicht wüsste, ob er der Vater des Kindes der Gegnerin sei. Es müsste entschieden werden, ob sie nicht in der Zeit mit anderen fleischlich gelebt habe. Er berichtige seine frühere Aussage dahingehend, dass die fleischliche Vermischung vor anderthalb Jahren stattgefunden habe, sie also jetzt nicht davon schwanger sein könne.
Er biete an, dass, wenn die Gegnerin öffentlich beeiden würde, dass er und kein anderer der Vater des Kindes sei, er die Gegnerin sofort heiraten wolle.
AMS stimmt dem öffentlichen Eid zu.
Der öffentliche Eid wird festgesetzt auf Samstag, den 23.02. um 10 Uhr.
1765-02-23 (Original S. 83/84)
Beide Parteien sind erschienen. AMS erklärt, den Beklagten keinesfalls heiraten zu wollen, ist aber bereit, den geforderten Eid öffentlich auszusprechen.
Der Beamte fragt sie, ob sie in der Zeit, als sie bei der Witwe Lanius als Dienstmagd gewohnt hat (nach ihrer Aussage von Andreas (=30.11.) 1763 bis zum 24. Januar), fleischlich erkannt worden sei, wie oft und wann.
Sie antwortet, dass er sich mit ihr in dieser Zeit zweimal fleischlich vermischt habe, und zwar einmal am Ende des vorigen Sommers im Essener Segeroth und ein anderes Mal im Garten der Witwe Lanius vor dem Limbecker Tor ungefähr 3 oder 4 Wochen danach.
Diese Antwort mit dem Hinweis, dass die Klägerin den Beklagten keineswegs heiraten wolle, hat den Beamten veranlasst, den für heute vorgesehenen Eid auszusetzen und dem Beschuldigten die weitere Verhandlung freizustellen.
1765-03-07 (Original S. 78)
Terminsetzung auf Mittwoch, den 13. um 9 Uhr
1765-03-13 (Original S. 71/72)
Vergleich von Amts wegen: Die Anwesende AMS sagt unter Eid aus, dass
1. der Beschuldigte sie in der Zeit von anderthalb Jahren fleischlich erkannt habe,
2. sie in dieser Zeit mit keinem anderen Mann fleischlich gelebt habe,
3. der Beklagte JHH der Vater des Kindes sei, das sie erwarte.
JHH bittet, weil die Gegnerin auf einer Entscheidung bestehe, dass sie verpflichtet werde, das Eheversprechen durch priesterliche Trauung einzuhalten. Gleichzeitig bittet er um Rückweisung der Klage und Aufhebung der Beschlagnahme.
AMS erklärt, dass sie den Beklagten nicht heiraten wolle.
Beschluss:
Die Klägerin, die selbst Klage auf Einlösung des Eheversprechens erhoben hat, wird unter Strafandrohung verpflichtet, das Versprechen innerhalb von 2 Monaten durch priesterliche Heirat einzulösen. Die Beschlagnahme des Eigentums des Beklagten vom 23. Februar (Frucht, Geld, Effekten) wird aufgehoben.
(1765-03-21 Maria Catharina Hamacher geboren)
ohne Datum (Original S. 75-77)
Hochwürdiger pp (?)
Abgesehen von dem juristischen Beschluss bleibt festzuhalten, dass er die Gegnerin sofort heiraten wolle, wenn diese gewisse Punkte ihres Eides klargestellt habe und bestätigen könne, dass er der Vater des Kindes sei.
Es bestehen folgende Zweifel:
1. Er ist überzeugt, dass er seit einem oder anderthalb Jahren mit der Klägerin keine fleischliche Vermischung gepflogen hab, sie folglich nicht von ihm schwanger sein könne, weil sie selbst eingestehen müsse, dass sie schon im 6. Monat schwanger gewesen sei.
2. Die Gegnerin habe sich höchst verdächtig gemacht, weil sie vor Gericht erklärt habe, ihn nicht heiraten zu wollen, was entweder größte Leichtfertigkeit sei oder zeige, dass sie selbst ihren eigenen Angaben nicht traue und in ihrem Gewissen einen anderen Vater kenne, weil sie sonst die Legitimierung der Zeugung durch Heirat gewollt hätte. Dies sei ein seltsames und unerhörtes Verhalten einer schwangeren Frau.
3. Es sei vermessen, frevelhaft und verdächtig, wenn man deswegen Klage erhebe, weil man daraus schließen könne, dass die Gegnerin gleichsam zufällig und gegen ihre eigentliche Absicht freiwillig auf Vollzug der Ehe geklagt und so gegen besseres Wissen gehandelt habe.
Er dagegen habe ehrlichere Gedanken und bitte daher untertänigst um Beschluss, dass die versprochene Ehe unmittelbar zu vollziehen sei, falls er der Vater des Kindes sei. Außerdem möge die ungerechte Beschlagnahme aufgehoben werden, weil er in der Welt nichts besitze und nur mit der schweren Arbeit im Kohlenberg die nötige tägliche Nahrung verdienen müsse. Die Unterhaltskosten dürften mit dem beschlagnahmten Gut nicht verrechnet werden, weil er angeboten habe, die Klägerin gegebenenfalls zu heiraten. Die Klägerin aber lehnt dies ohne Begründung ab. Die beschlagnahmten Sachen als Besitz eines blutarmen und einfachen Mannes könnten nicht zum Unterhalt für das Kind, für dessen Vater er zufällig gehalten werde, verwendet werden. Daher seien die Unterhaltspflichten auf alle, auf jeden Fall aber auf die Gegnerin und ihre wohlhabenden Eltern zu verteilen.
1765-04-13 (Original S. 43/45/49/51 Ur- und Abschriften)
Heute erschien JHH persönlich zur Niederschrift und zeigte an, dass die Klägerin trotz einige Zeit andauerndem Arrest, der sie dazu bringen sollte, ihn zu heiraten, sich weiterhin weigere. Er nehme jetzt von der geplanten Heirat Abstand, bis die Klägerin ihm die bisher entstandenen Kosten ersetze. Außerdem bitte er gehorsamst, die Klägerin aus dem Arrest zu entlassen.
Auf nähere Nachforschungen des hiesigen hochwürdigen Herrn Offizialgeheimrat und Richter Daniels wird die AMS aus dem Arrest entlassen. Außerdem wird angeordnet, dass zur Sicherung der bisher entstandenen Prozess- und Haftkosten ihre Kleidung und Effecten zwangsweise weggenommen und bis auf Weiteres an einen dritten Ort gebracht werden. Eine schriftliche Liste der beschlagnahmten Sachen ist hierher abzuliefern. Weil der Wert dieser Sachen nicht ausreichen dürfte, wird hiermit gleichfalls ihr Erbteil beschlagnahmt und den Eheleuten Sommerschmid unter Androhung doppelter Strafe befohlen, davon nichts auszuzahlen.
gez. Schmitz
1765-05-23 (Original S. 61/65/69 Ur- und Abschrift)
Gemäß der von JHH gegen AMS erhobenen Anzeige wird AMS aufgefordert zur Vollziehung des eingegangenen Ehegelöbnisses durch priesterliche Heirat innerhalb von drei Wochen, und zwar mit der ernsthaften Androhung, dass nach dem erfolglosen Ablauf dieser Frist sie wieder mit schwerer Strafe zu rechnen habe. Gleichzeitig wird die von JHH beantragte Beschlagnahme von Kleidung und Erbteil bewilligt und den Eheleuten Sommerschmid unter Strafandrohung befohlen, davon ihrer Tochter nichts auszuhändigen.
1765-05-30 (Original S. 66)
Ich habe die Kopie des Bescheides (vom 23.5.) dem Sommerschmidt zugestellt und Kleidung und Erbteil beschlagnahmt.
vom Orde
ohne Datum (Original S. 67/68)
Die Frist zur priesterlichen Trauung der Gegner ist längst erfolglos verstrichen und es entsteht der Eindruck, dass beide sich nicht gütlich einigen wollen, zumal der Mann einige Zeit mit dem Kind im Müllheimischen gewohnt und nunmehr zwar zurückgekehrt ist, aber vorhabe, am nächsten Montag mit Sack und Pack wieder dorthin zurückzugehen. Es ergeht die Bitte, die Gegnerin mit schärferen Zwangsmitteln zur Trauung zu zwingen und ihre sämtliche Kleidung und Erbteil bei ihren Eltern einzuziehen.
1765-08-28 (Original S. 59/62 Ur- und Abschrift)
In der Sache JHH gegen AMS wird unter Bezug auf den Beschluss vom 23. Mai festgesetzt, dass der AMS eine letzte Frist von 14 Tagen (Abschrift: 3 Wochen!) zugestanden werde mit der Warnung, dass sie nach erfolglosem Fristablauf durch körperlichen Arrest zum schuldigen Gehorsam gezwungen werde.
gez. Schmitz
1765-11-21 (Original S. 53/54)
Da sich in der Ehe- und Beschwängerungssache AMS gegen JHH dieser bereit erklärt hat, die Beschuldigte zu heiraten, diese aber alle Warnungen und Fristen hat verstreichen lassen, wird nunmehr rechtskräftig entschieden, dass AMS verhaftet und unter Vorbehalt weiterer Zwangsmittel an einem dritten Ort täglich mit Wasser und Brot gespeist und bis auf Weiteres festgehalten werden soll. Sollte sich jemand unterstehen, ihr etwas anderes als Wasser und Brot zu bringen, so soll derjenige bestraft werden.
Gleichzeitig werden ihr alle bisher entstandenen Kosten auferlegt.
Der hochwürdige Geheimrat und Landrichter Daniels bestimmt einen Arrestführer und -beschützer, dem er ernsthaft befiehlt, auf die gefangene Person fleißig achtzugeben und dafür zu sorgen, dass ihr außer dem zweimal täglich zu reichenden Wasser und Brot keiner etwas anderes bringe.
1765-12-03 (Original S. 44)
Heute habe ich die Kopie dieses Bescheides der AMS übergeben und sie in Arrest genommen, dann ihre Kleidung an einen dritten Ort gebracht, nämlich … Schürzen, … Röcke, … Halstücher, … Mützen, … Hemden …, sowie ihr Erbteil beim Sommerschmid beschlagnahmt.
gez. vom Orde
1765-12-04 (Original S. 11; Anmerkung: 1 Taler = 60 Stüber)
Ø    Die AMS in Zivil-Arrest gezogen:      45 Stüber
Ø    10 Tage in Arrest á 7,5 Stb: 1 Reichstaler 15 Stüber
Ø    Am 13. Dezember den Arrest aufgehoben und die Kleidung mit der Wache an einen dritten Ort gebracht:                    45 Stüber
Ø    Erbteil beschlagnahmt:     7,5 Stüber
gesamt:   2 Reichstaler 52,5 Stüber
gez. vom Orde
1766 (Original ohne Datum S. 27-40)
Den von euer Hochwürden im vorigen Jahr gegen mich verhängten körperlichen Arrest habe ich zwar mit meinem unschuldigen Kind 10 Tage lang bei Wasser und Brot mit christlicher Geduld ertragen in der Hoffnung, dass der allerhöchste Gott diese meine Buße als ein Versöhnungsopfer für meine begangenen schwachen Sünden mildväterlich annehmen und mir diese barmherzig verzeihen werde.
So wenig aber der Gegner befugt war, vor Gericht vorzugehen gegen mich als ein unmündiges, schwaches, blutarmes und bis dahin ohne Verstand versehenes Wesen, das auf dem Land in einem kleinen Kotten von ¾ Morgen aufgezogen wurde, so wenig sehe ich ein, dass mir auch noch anscheinend rechtmäßig die Kosten auferlegt werden und am Ende meine einzige Habseligkeit, nämlich meine armselige Kleidung, beschlagnahmt werden soll oder kann.
Es ist zwar richtig, dass ich anfangs, als ich seinen boshaften und unartigen Charakter noch nicht so genau kannte, nach dem Ehegelöbnis und der Entjungferung mehrfach gerichtlich gegen den Gegner vorgegangen bin.
Der weitere Verlauf hat aber klar gezeigt, wie untreu und schlimm er mich behandelt hat, weil er
1. nach Einspruch gegen die Klage zwar endlich mit mir zum würdigen Pastor gegangen ist, um das Aufgebot zu bestellen, dennoch am nächsten Tag bei ihm das Aufgebot widerrufen hat, und als der Pastor dies nicht akzeptiert hat, er
2. in der folgenden Woche wieder gegen das Aufgebot protestiert und die Aufhebung bewirkt hat, wodurch er von seiner Seite das Verlöbnis aufgehoben hat, und obwohl er
3. durch die Vermittlung meiner Mutter und der Verwandten wieder besänftigt wurde, sodass ich die mir zugefügte Beschimpfung und Unzucht verziehen und erneut mit ihm das Aufgebot gestellt habe, dass dennoch
4. dieser boshafte Wirrkopf zum dritten Mal widerrufen und mich so überall Schimpf und Schande ausgesetzt hat, ohne zu bedenken,
5. dass er inzwischen in Stadt und Stift nicht nur mich als offensichtliche Hure blamiert hat, die zu ihrer Entlastung ihn als Vater angeben wolle, sondern sogar
6. gerichtskundig einen anderen für Geld dazu bringen wollte, sich als Vater meines Kindes auszugeben.
Dieses Verhalten könnte ein Ehehindernis sein. Ich hatte vor Gericht erklärt, dass ich ihn wegen dieser Umstände und Verhaltensweisen nicht heiraten wolle und könne. Er hat mich gezwungen zu beeiden, das er der einzige Vater meines Kindes sei (für dieses Mal zu schweigen: ?) … (?)
So ist nach den obigen Umständen nicht zu erkennen, wie der Gegner mich dazu bringen will oder kann, ihn doch noch zu heiraten, zumal bei den erkennbaren Charaktereigenschaften, und er ist nach eigenem Geständnis noch nicht einmal in der Lage, sein einziges Kind zu ernähren. Es ist offensichtlich, dass ich nicht hoffen kann, mit ihm eine gute Ehe zu führen. Diese Tatsachen geben genügend Grund, mich der Ehe zu widersetzen. … (?)
So wäre es das größte Unrecht der Welt, wenn ich, nachdem ich mit meinem armseligen, fast bis zum Tode verschmachteten Kind nach überstandenem zehntägigem Arrest mit Wasser und Brot nicht nur leer ausgehen, sondern auch noch gezwungen werden soll, ihm, der mich mit Füßen getreten und um Ehre und Blut gebracht hat, für seine gottlose Behandlung auch noch die Gerichtskosten zahlen soll, und zwar, da andere Mittel fehlen, mit meiner bettelmäßigen Kleidung. … (?)
Vielmehr ist derselbe nach kirchlichem, weltlichem und natürlichem Recht verpflichtet, sein Kind als Vater zu ernähren, obwohl er nach seinen Angaben arm und dazu nicht in der Lage ist. Denn er ist ein starker Kerl, der sowohl mit Früchten handelt als auch täglich in seinen Kohlenbergen mit seiner Hände Arbeit einen guten Stüber verdient. Folglich kann er mit wenig Mühe so viel übrig behalten, wie zur Ernährung seines Kindes nötig ist.
So wird Hochwürden demütigst gebeten, nicht nur die mir zur Last gelegten Kosten zu erlassen, sondern ihn zu verurteilen, dass er seinem Kind in jährlich gesicherter Höhe den Unterhalt und die aufgestellten Kosten bezahlt.
1766-01-08 (Original S. 41/24 Ur- und Abschrift)
Gegenanzeige und Bitte in Sachen AMS gegen JHH
In der von AMS gegen JHH übergebenen Gegenanzeige wird diesem bekannt gegeben, dass er bezüglich der geforderten Unterhaltskosten unter gerichtlicher Strafandrohung innerhalb von 8 Tagen Stellung nimmt.
Bezüglich der Kosten, die dem gnädigen Sommerschmidt auferlegt wurden, bleibt es bei den ergangenen und rechtskräftigen Bescheiden. Essen, den 9. Januar 1766
ohne Datum (Original S. 9)
1766 (?) hat die AMS mit ihrem Kind bei mir 10 Tage in Arrest gesessen, veranschlage täglich für den Verzehr von Brot, Milch und das Brot für das Kind, für Licht und Bett 15 Stüber, macht insgesamt
      2 Reichstaler 30 Stüber
Anna Sophia Thal
Auf der Philipsburg
1767-10-01 Anna Maria Hamacher geboren
1768-02-16 (Original S. 13)
Zum amtlichen Protokoll erschienen ist Philip Phirgsten (?) und bestätigt mit Bezug auf den Führer der Dreibauernschaft, am Orde, dass vor ungefähr 2 Jahren die AMS auf Befehl des Herrn Offizial in Arrest genommen und ihre Kleidung beschlagnahmt worden waren. Er und Orde sei mit dem gnädigsten Führer (?) zu Sommerschmids Kotten gezogen, wo der Führer gebrauchte Kleidung aufgeschrieben habe, die er später an einen dritten Ort bringen wollte. Der Sommerschmid habe besagten Führer zurückgerufen mit dem Hinweis, das Zeug sei bei ihm genauso gut aufgehoben, woraufhin der Führer demselben die Kleidung belassen habe mit dem Hinweis, dass der Sommerschmid dafür verantwortlich sei, und der Sommerschmid habe geantwortet, dass er die Verantwortung dafür übernehme.
gez. Arnold Waldick (Philip Pfirgsten, Wölting)
1769-03-14 Eheschließung
1770-02-10 (Original S. 5/7 Ur- und Abschrift)
Nachdem in der Sache AMS gegen JHH die beiden nunmehr verheiratet sind, haben sie die im Jahr 1765 entstandenen und bis heute offenen Arrestkosten, soweit möglich, zu zahlen.
Diese Kosten sind von den Eheleuten vor ihrer Heirat freiwillig übernommen worden.
Darum wird auf Antrag der Witwe Thals auf der Philipsburg und des Dreibauernschaftsführers vom Orde den Eheleuten hiermit unter Androhung der Vollstreckung befohlen, die genannten Kosten, und zwar 2 Reichstaler 52,5 Stüber an den genannten Führer und 2 Reichstaler 30 Stüber an die Witwe Thals, innerhalb von 8 Tagen zu bezahlen oder wenigstens anteilig innerhalb einer Frist.
1770-03-16 (Original S. 1/3 Ur- und Abschrift)
Erneute Zahlungsaufforderung mit Androhung der Vollstreckung
1770-03-21 (Original S. 1/3 Ur- und Abschrift)
Ich habe dem JHH die Rechnung und Kopie zugestellt.
gez. Arnold Schang

Namensverzeichnis (Personen und Orte)
Die Zahlen geben die Seite in der Originalakte an!
Altendorf 93 (zweimal), 88, Altendorff 83, 41
Arnold … (?) 60, 4 (Schang?)
Barckhoff 93 (zweimal) zu Altendorf (seine bei … vorhandene Kleidung usw.), 92, 91
Daniels, Offizialgeheimrat, Richter 49, Geheimrat und Landrichter 54, 44
Essen 93, 91
Essend 87
Hamecher, Johan Henrich 95, 92, 83, 72, 65, 59, 51, 50, 49, 41, 1
Hendrich Hamecher zu Altendorf 94, 7
Jan 93, 88, 87
Hamacher 41, 13
Holsterhausen 88 u. a.
Lanius, Witwe 83 (zweimal) (AMS bei ihr Dienstmagd 1763/64)
Limbecker Tor 83 (davor Garten der Witwe Lanius)
Müllheimischen, im 67
Orde, am (Führer der Dreibauernschaft?) 13
Orde, von 92, 44, vom 66, 11, 7, Vomorde 2
Philipsburg, Anna Sophia Thal auf der 9, 7, 1
Pfirgsten, Philip (Zeuge?) 13
Rötgers Bank, Barckhoff (?meister) auf der 92
Rullich 93 (zweimal) zu Altendorf (seine bei … vorhandene Kleidung usw.), Rulich 92, 91
Rüsel 93 (zweimal) zu Altendorf (seine bei … vorhandene Kleidung usw.), 92, 91
Schang, Arnold (Schreiber? 4
Schmitz 91 (Offizial?), 65, 59, 45, 43, 3
Segeroth (essendischer) 83
Sommerschmied, Anna Marg. 95
Sommerschmid 93, 92, 87, 83, 77, 72, 65, 59, 51, 49, 44, 43, 41, 9
Eheleute Sommerschmid 49
Sommerschmidts, Anna Margaretha 94, 53, 50, 44, 41, 7, 1
Sommerschmit 66, Sommerschmits 44
zu Holsterhausen 88
Thal, Anna Sophia, auf der Philipsburg 9, Thals, Witwe 7, 3, 2, 1, vidua 8
Waldick, Arnold (Schreiber?) 13
Wölting 91 (Schreiber, Protokollführer), 87, 84, 72, 68, 65, 61, 59, 51, 45, 13
Bemerkungen/Fragen
Ø      Die lateinischen Texte müssten noch von einem „Vollblutlateiner“ übersetzt werden. Für meine „Übersetzung“ scheinen sie aber durchweg unerheblich zu sein.
Ø      Wieso ist AMS am 13.04.1765 in Arrest? Die zwei Monate Frist seit dem Beschluss vom 13.03. sind noch nicht um. Wann und wo ist das Kind geboren?
Ø      „Arrest“ meint offensichtlich auch Beschlagnahme. Es scheint aber daneben noch einen Unterschied zwischen „Arrest“ und „körperlichem Arrest“ zu geben.
Ø      Wann wurde zu welchem Zweck das Schreiben des JHH ohne Datum (Original S. 75-77) verfasst? Es ist darin vom 6. Schwangerschaftsmonat die Rede!
Ø      AMS wird zu „Wasser und Brot“ verurteilt, Anna Sophia Thal stellt aber Milch in Rechnung!
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